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Rezension:Die Angst vor Krankheit verstehen und überwinden (Gebundene Ausgabe)

Dieses bemerkenswerte Buch wurde von dem Psychotherapeuten Hans Morschitzky und dem Journalisten Thomas Hartl auf den Weg gebracht. Ziel der Autoren ist es, bei Betroffenen und deren Angehörigen, ebenso wie bei Fachleuten und Interessierten das Verständnis für Krankheitsängste zu fördern und darüber hinaus konkrete Hilfestellungen im Umgang mit Krankheitsängsten anzubieten.

Die Autoren definieren Krankheitsängste je nach Situation und Persönlichkeit entweder als gesund oder krankmachende Reaktion auf vorgestellte oder reale Bedrohungen von Leib und Leben, (vgl.: S.186).

Ihr Buch untergliedern sie in drei Hauptteile:
Teil 1- Krankheitsängste- normale Sorge und Krankhafte Angst um die Gesundheit
Teil 2 Krankheitsängste- wie sie entstehen und das Leben beeinträchtigen
Teil 3 Krankheitsängste- wie Sie lernen erfolgreich damit umzugehen

Im traditionellen medizinischen Denken wird Krankheit mit dem Begriff Störung gleichgesetzt. Folglich gilt Gesundheit als Störungsfreiheit, als Freisein von körperlichen und physischen Erkrankungen. Nach Meinung der Autoren vernachlässigen diese Definitionen das subjektive Empfinden der Einzelnen, das im Hinblick auf das Krankheitserleben zumeist mehr zählt als das nach Expertenauffassung definierte Störungsausmaß, (vgl.: S. 12).

"Kranke Gesunde" leiden offensichtlich unter der Diskrepanz zwischen Befund und Befinden. Obschon sie gesund sind, fühlen sie sich krank. Bei diesen Menschen handelt es sich nicht um "eingebildete Kranke", sondern vielmehr um Personen, die aufgrund ihres Krankheitsverhaltens, zahlreiche Beeinträchtigungen entwickeln, die längere Krankheitsstände und Arbeitsunfähigkeit zur Folge haben können. Krankmachend sind in solchen Fällen nicht die Krankheitssymptome, sondern die Art des Krankheitsverhaltens, (vgl.: S.13).

Nur eine bestimmte Gruppe der Betroffenen, die Gruppe der sogenannten Hypochonder weist Krankheitsängste in dem Sinne auf, das sie weniger unter den Symptomen an sich leiden als an den Befürchtungen der vermeintlichen Folgen der Beschwerden, (vgl.: S.14). Solche Menschen denken pausenlos an eine befürchtete schwere Krankheit. Es mangelt ihnen an Vertrauen in die Selbstverständlichkeit der körperlichen und geistigen Funktionsabläufe. Sie suchen immerfort in überängstlich-quälender Selbstbeobachtung nach vermeintlichen Krankheitsanzeichen und interpretieren jede kleine Veränderung als Ausdruck einer lebensgefährlichen Entwicklung, (vgl.: 14). Anders hingegen verhalten sich "gesunde Kranke", die aus medizinischer sich tatsächlich krank sind, weil sie lange Zeit keine Symptome spüren oder nicht wahrnehmen möchten. So wissen beispielsweise die meisten Menschen um die Anzeichen eines Herzinfarktes. Trotzdem wartet die Hälfte der Patienten mit typischen Symptomen viel zu lange bis sie den Notarzt ruft oder zum Arzt geht, (vgl.: S.15).

Man erfährt Wissenswertes über Krankheitsängste von einst und heute und auch darüber, dass der Begriff "Hypochondrie" im Laufe der Medizingeschichte viele Änderungen durchlief. Thematisiert werden in diesem Zusammenhang auch Krankheitsängste im Wellness- Zeitalter. Hier wird nicht zuletzt auf Gesundheitswahn, Fitnesskult und Ernährungsstress, einem durchaus nicht unbedenklichen Gesundheitsstreben aus Krankheitsfurcht abgestellt.

Die Autoren lassen "Den eingebildeten Kranken" von Moliere nicht unerwähnt und analysieren dessen Verhalten. Zudem berichten sie auch über Krankheitsängste vieler Personen der Zeitgeschichte und machen deutlich, dass die Diagnosekriterien die Häufigkeit der Verbreitung von Krankheitsängsten bestimmen.

Wissen sollte man, dass krankheitsängstliche Menschen alle zehn Tage einen Arzt aufsuchen und drei Viertel der Ärzte den Patienten mit unbegründeten Krankheitsängste mindestens doppelt so viel Zeit wie anderen Patienten widmen, (vgl.:S. 37).
Als Formen krankhafter Krankheitsängste werden genannt: Krankheitsphobie, Hypochondrie, Krankheitswahn und Krankheitsängste bei psychischen, somatoformen und körperlichen Störungen. Was das im Einzelnen ist wird gut nachvollziehbar erläutert.
Im Rahmen der Darstellung der zehn Gesichter von Krankheitsangst kommen zur Sprache:

-Die Angst vor lebensbedrohlicher Krankheit- Herzinfarkt, Krebs und Aids als tödliche Gefahr

-Die Angst vor körperlicher Behinderung- Schlaganfall und Multiple Sklerose als bleibende Beeinträchtigung

-Die Angst vor Leiden und Schmerzen- schmerzbetonte Krankheiten als Ausdruck von Hilflosigkeit und Ohnmacht

-Die Angst vor Ansteckung-Wasch und Reinigungszwang als Mittel der Angstbewältigung

-Die Angst vor unerklärlichen Alltagssymptomen- Schwindel und Übelkeit als Anlass für einen Ärzte-Marathon

-Die Angst vor umweltbedingten Schädigungen- Umweltgifte und falsche Ernährung als Gefährdung der Gesundheit

-Die Angst vor psychischem Zusammenbruch- Schizophrenie und Depression als gesellschaftliche Stigmatisierung

-Die Angst um den Verstand- Alzheimer-Krankheit als Verlust der Selbstverfügbarkeit

-Die Angst vor Rückfall oder Krankheitsverschlimmerung- sekundäre Hypochondrie als nicht verarbeitete Krankheitserfahrung

-Die Angst vor dem Älterwerden und körperliche Verfall- das Alter als gefürchtetes Krankheitsrisiko.

Diese Themen werden mit Fallbeispielen illustriert, die für die Leser sehr erkenntnisreich sind.

Zwanzig häufige Ursachen , die zu Krankheitsängsten führen, werden sehr gut näher erläutert. Des Weiteren werden zehn Folgen von Krankheitsängsten näher betrachtet.

Im dritten Teil des Buches schließlich lernen Betroffene mit ihren Krankheitsängsten umzugehen. Zunächst müssen Fragebögen ausgefüllt werden, die mich beim Durchlesen mehr als nur überrascht haben, weil ich solche Verhaltensmuster aufgrund von Ängsten bislang nicht für möglich gehalten habe. Meines Erachtens schaffen die Fragen das Bewusstsein, das notwendig für Veränderungen solcher Verhaltensmuster ist. Diesbezüglich werden zudem in der Folge sehr gute Hilfestellungen erteilt.

Dieses Buch empfehle ich all jenen, die von Krankheitsängsten geplagt sind, ständig Ärzte aufsuchen, ihre Familie, Freunde und Bekannte mit ihren Ängsten behelligen und sich auf diese Weise immer mehr in die Isolation schaffen, weil Verständnis für diese Ängste letztlich immer wieder auf Grenzen stößt.

Für mich stellt sich die Frage, inwiefern Krankheitsängste seitens der Ärzte und der Pharmaindustrie geschürt werden. In diesem Zusammenhang besteht ein immenser Diskussionsbedarf, wenn man an die immer höher werdenden Krankenkassenbeiträge denkt.
Lesenswert.
 
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