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Rezension: Peter Sloterdijk Zeilen und Tage: Notizen 2008-2011

"Gehirn, freu dich, heute darfst du ein Foto sehen von der Parade der Indischen Kamel-Kavallerie",  (Zitat: Peter Sloterdijk, Seite 555)

Prof. Dr. Peter Sloterdijk hat sich Ende 2011 entschlossen, seine Tagebuchnotizen zu veröffentlichen. Dabei nahm er sich Heft 100 aus dem Jahre 2008 vor und transkribierte seine Niederschriften bis zum Mai 2011.

 Nach einer Vorbemerkung untergliedert er seine Hefte in zwei Bücher. Das erste der Bücher nennt er "Spuren ins Posthumien". Dieser Begriff will zum Ausdruck bringen, dass die eigentliche Endlichkeit nicht alles ist. "Aus der besten Welt" titelt er dann das zweite Buch. Dieser Titel soll an das Leibnizsche Theorem erinnern, wonach die real existierende Welt- unter der Prämisse ihres Hervorgehens aus einem Ursprung, der nicht besser sein könnte- mit unumgänglicher Notwendigkeit als die beste aller möglichen Welten zu begreifen sei, (vgl.: S.9).

 Das Buch enthält Notizen aller Art, zeigt was dem Philosophen wichtig erscheint, worüber er sich Gedanken macht und was er Wert hält, spontan festzuhalten. Nicht jede Notiz outet ihn als Philosophen, viele wohl eher als gedanklichen Spaziergänger und analytischen Beobachter seiner Umwelt.

 Sloterdijk steigt vom Olymp und wird Mensch, wenn er schreibt: "Abends zu einer nachträglichen Geburtstagsfeier mit arabischer Küche bei Uta. Geschenke: Der Graf von Monte Christo mit Depardieu, schon ziemlich übergewichtig, auf DVD und eine Whisky-Rarität aus der Destilliere in Bayern." (Zitat: Seite 59).

 Eine große Anzahl von Aphorismen sind es Wert, dass Sloterdijk ein Bändchen mit diesen für Freunde von Zitaten herausgibt. Sehr bezeichnend finde ich dabei den Gedankensplitter "Wie jede Macht hat auch die Macht der Schwachen ihre Parasiten." (Zitat: S.188). Es wäre interessant, über diese Parasiten ein Buch zu verfassen und deren Tun genau zu beleuchten. Das könnte auch eine Aufgabe für einen Philosophen sein.

 Auf Seite 353 notiert der Autor erneut einen Gedanken zum Thema Macht. Der Gedanke ist nicht von ihm, sondern von Aristoteles:"Wenn sich Mangel an Bildung (apaideusía) zur Macht gesellt, entsteht Größenwahn,"(Aristoteles, Protreptikos). Die Frage, die sich mir stellt ist, wie ein größenwahnsinniger Parasit die Macht der Schwachen im Herbst 2012 in Europa für seine Zwecke benutzen könnte?

 Ich versuche zu verstehen, weshalb Sloterdijk sich notiert, dass er beim Versuch Ursula (wer auch immer das sein mag) anzurufen, nur deren Anrufbeantworter erreicht habe. Am gleichen Tag liest man, was Frank Schirrmacher ihm am Telefon berichtet hat. Er notiert die Essenz des Telefonats, kommentiert aber nicht. Wie ging es Sloterdijk an jenem Tag? War er philosophisch gelassen?

 Er fragt ketzerisch in Interlaken "Wozu eine Seele besitzen, wenn sie ihre Kompetenz als Erlebnisveredlungsanstalt nicht unter Beweis stellt?"

 Auch lässt er nicht unerwähnt, wann Fritz Teufel starb und dass dieser unweit von Herbert Marcus ruht. Welche Gedanken mögen Sloterdijk zu den beiden Personen in den Kopf gekommen sein? Kannte er in jungen Jahren Fritz Teufel?

 Auf Seite 562 fand ich folgenden sarkastischen Gedanken: "Autismus, moraltheoretisch definiert, besteht in der endogenen Unfähigkeit, die Goldene Regel zu befolgen. Wer als Autist beschimpft wird, sollte sich freuen. Man hält ihn nicht für krank, nur für böse."

 Sloterdijk notiert Gedanken und Begebenheiten, mit denen er sich ganz nebenbei vermutlich auseinandersetzt. Mitunter beginnt er beim Notieren schon nachzudenken, so formuliert er dann Fragen wie etwa "Ob es wahr ist, dass die Liebkosung, wie Sartre suggeriert, nicht ohne einen subtilen Anschlag auf die Freiheit des anderen auszuführen sei? Wenn das Gegenteil der Fall wäre- und die Liebkosung würde uns selbst zur Quelle der Freiheit?"

 Ja dann, lieber Herr Sloterdijk, wären wir in einem paradiesischen Zustand, umgeben von friedlichen Menschen, deren Philosophie die Liebe wäre und müssten nicht argwöhnisch auf den bevorstehenden Herbst schielen.

 Sehr neugierig gemacht hat mich Sloterdijks Sentenz "Andere nehmen Tabletten, du lässt das Licht an". Ich gehe mal davon aus, dass es das der Autor hier mit sich selbst spricht und frage mich, was er im Bett Spannendes liest, bis ihm die Augen zufallen. Ob es Dumas ist? Auch ein Philosoph braucht seine 
Auszeiten:-))

 Ein amüsant zu lesendes Buch, streckenweise sehr ironisch. 

 Empfehlenswert.

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Rezension: Bärbel Wardetzki- Nimm`s bitte nicht persönlich

Die Diplompsychologin Dr. Bärbel Wardetzki zeigt in diesem Buch, dass es durchaus möglich ist, gelassen mit Kränkungen umzugehen. Gleich zu Beginn weist die Autorin darauf hin, dass man zwischen Kränkungsreaktion und Kränkungshandlung, bzw. zwischen erlittener und erteilter Kränkung differenzieren muss. 

Kränkungsreaktionen erleben Menschen dann, wenn sie sich zurückgewiesen, abgelehnt, ausgeschlossen und verachtet fühlen. 

Unter der Kränkungshandlung oder dem Kränkungsereignis versteht man hingegen die erteilte Kränkung, also das, wodurch sich andere verletzt fühlen. Man muss sich bewusst machen, dass eine Kränkung im Sinne einer Kränkungshandlung nichts Objektives ist. 

Ob man etwas als Kränkung erlebt, ist abhängig davon, ob man sich verletzt oder entwertet fühlt durch eine Kränkungshandlung. Verhindern kann man eine Kränkungsreaktion dadurch, dass man eine Äußerung eines anderen nicht auf sich bezieht, auch wenn diese auf die Entwertung unserer Person abzielt. Man ist Kränkungen keineswegs hilflos ausgeliefert, wie die Psychologin sehr gut verdeutlicht.

 Der springende Punkt am Kränkungskonflikt ist der Angriff auf die Schwächung des Selbstwertgefühls. Das muss man sich bewusst machen. Kränkungen schwächen das Selbstwertgefühl und sind mit Selbstzweifeln sowie der Verunsicherung unserer Person und unseres Identitätsgefühls verbunden. Die Schwächung beruht auf dem Gefühl benachteiligt und weniger wert zu sein und damit letztlich weniger geliebt zu werden, (vgl.: S.20). 

 Menschen mit stabilem Selbstwertgefühl reagiert nicht so rasch gekränkt wie ein Mensch mit minderem Selbstwertgefühl. Dennoch muss uns klar sein, dass jeder Mensch kränkbar ist, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß.

 Dr. Wardetzki erläutert u.a. die Schritte, wie Kränkungen ablaufen. Dabei wird verdeutlicht, dass Reaktionen in der Kränkung Rache, Gewalt gegen sich und andere und auch Beziehungsabbruch bedeuten können.Sofern Kränkungserlebnisse unbearbeitet bleiben, können sie zu psychosomatischen Krankheiten führen. Wenn erlittene Kränkungen nicht verheilt sind, können sie aufgrund neuer Verletzungen ähnlichen Inhalts aktiviert werden. Die Reaktion bei erneuter Kränkung wird dann weitaus heftiger ausfallen und für Dritte kaum nachvollziehbar sein. 


 Man muss sich bewusst darüber werden, welcher wunde Punkt bei einer Kränkung berührt wird, auch dass man mittels Wut, Vorwürfen und Anklagen das eigene Problem nicht lösen kann. Fühlt man sich gekränkt, sollte man einen Tag verstreichen lassen, bevor man reagiert. Fragen stellen ist angesagt und nicht Rache üben.

 Selbstunsichere Menschen sind offenbar leichter kränkbar. Sie fühlen sich pausenlos schuldig, auch dann, wenn sie es nicht sind. Die Autorin zeigt, wie man eine solche Haltung überwindet. Hier sollte man sich besonders bewusst machen, dass ein versöhnlicher Blick auf die anderen uns auch versöhnlicher stimmt.

 Chronische gekränkte Menschen verhindern leider konstruktive Konfliktlösungen. Damit machen sie nicht nur anderen, sondern auch sich selbst das Leben schwer. Wichtig ist, damit aufzuhören anderen die Schuld zuzuschreiben, denn dies führt zu gegenseitigen Kränkungen, die Konflikte zementieren. Stattdessen sollte man sich darüber klar werden, dass der äußere Konflikt auf einen ungelösten inneren Konflikt verweist.

 Nicht wenige Konflikte in Beziehungen entstehen durch Nähe- Distanzprobleme, dem Wunsch nach Nähe und der Angst vor Abhängigkeit, dem Wunsch nach Autonomie und der Angst vor dem Verlassen werden. Zurückweisungen durch geliebte Menschen treffen uns dabei besonders heftig. 


 Wissen sollte man, dass Suchtkrankheiten nicht selten vor dem Hintergrund früher Kränkungserlebnisse entstehen. Zugrunde liegt der Versuch, sich mit Süchten aus der Realität zu stehlen, weil das die Illusion vermittelt, vor neuen Krankheiten gefeit zu sein. Klar muss sein, dass Sucht keine Lösung, sondern eine Krankheit darstellt. 

 Die Psychologin verdeutlicht nicht nur, was geschieht, wenn man gekränkt ist, sondern auch, wenn wir andere kränken. Hier zeigt sie, was hilft, mit dem gekränkten Menschen wieder ins Reine zu kommen. Dr. Wardetzki weist nicht zuletzt auf Kränkungsfallen hin und wie diese zu vermeiden sind. Auch macht sie deutlich, wie man mit Mimosen umgeht. Man muss sich darüber klar werden, dass Gekränktheit auch ein Machtmittel darstellen kann, mit dem wir seitens eines Gekränkten subtil manipuliert werden sollen. Möglicherweise macht man aus Angst vor Konfrontation das Spiel sehr lange mit. 

 Unzufriedene, verbitterte Menschen kränken andere häufiger als zufriedene. Bei den Kränkungen kann es sich um Ironie, Witze, aber auch um offene Entwertungen handeln. Motive können Neid, Eifersucht, Unzufriedenheit, Minderwertigkeitsgefühle, Überheblichkeit, Angst etc. sein. Kränkende Menschen verursachen zumeist eine ungute Stimmung, die die Beziehungen beeinträchtigen. Durch deren Verhalten werden Ja-Sager, Anpasser oder Ablehner produziert. Ehrliche Kommunikation kann nicht zustande kommen, weil immer wieder Streit droht und Menschen sich wegen drohender Verletzungen zurückziehen. 

Wenn über Probleme nicht offen geredet werden kann, so die Psychologin, leiden die Beziehungen erheblich oder zerbrechen. Die Autorin bringt dem Leser nahe, wie man sich am besten gegenüber uns kränkenden Menschen verhält. Man muss vorsichtig sein im Hinblick auf Menschen, die ein minderes Selbstbewusstsein haben, denn es besteht die Gefahr, dass man sie kränkt, ohne es zu wollen, einfach nur deshalb, weil man selbstbewusster oder erfolgreicher erscheint. 

 Gekränkte reagieren mitunter auch passiv-aggressiv. Dabei erfüllt sie die Vorstellung andere müssen ebenso leiden, wie sie mit Genugtuung. In der Rache verletzen sie andere dann so, wie sie sich selbst verletzt fühlen. Um Versöhnung herbeizuführen, hilft Verständnis am meisten. 


 Dr. Wardetzki zeigt auf den letzten Seiten, wie man gelassener mit Kränkungen umgeht und hier auch wie man Kränkungsleichen birgt. Zum Schluss dann hat man Gelegenheit an einem Test teilzunehmen. Hier erfährt man, welcher Kränkungstyp man ist. 

 Dieses Buch empfehle jedem, der an einem positiveren Miteinander interessiert ist.

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Rezension: Bas Kast: Ich weiß nicht, was ich wollen soll: Warum wir uns so schwer entscheiden können und wo das Glück zu finden ist

Das Buch von Bas Kast habe ich in Etappen gelesen, weil mich der Inhalt sehr interessiert hat und ich einzelne Kapitel immer wieder mit Freunden diskutierte. Der Untertitel lautet "Warum wir uns so schwer entscheiden können und wo das Glück zu finden ist". Aha, dachte ich, wieder ein Glücksratgeber mehr auf dem Buchmarkt und las erst mal das Inhaltsverzeichnis, bevor ich mich dann doch entschied, mich auf dieses Buch einzulassen. Wieso sind in den reichsten Ländern der Erde Angsterkrankungen, Depressionen, Stress und Burnout auf dem Vormarsch? Wieso sind nicht alle glücklich, denen es materiell gut geht?


 Kast analysiert ausführlich von dem "Freiheitsparadox", wonach wir immer unzufriedener werden, je größer unsere Wahlfreiheit bei den vielen angebotenen Alternativen ist. Mit der Zahl der Alternativen steigen beispielsweise nicht nur die Alternativkosten, sondern auch die Erwartungen an die gewählte Alternative. Je mehr Optionen uns zur Verfügung stehen, desto mehr "Hätte-ich-dochs" lassen sich auftun. Und je mehr dieser "Hätte ich dochs" sich finden lassen, desto größer wird die Reue und die Zufriedenheit mit der tatsächlich getroffenen Wahl sinkt, (vgl.: S.45).


 Bei allem wird klar, dass mit der gestiegenen Freiheit der Druck auf die Psyche nicht geringer wird, sondern stattdessen das Gegenteil der Fall ist. So wundert es nicht, dass je stärker das Gefühl von Freiheit und Kontrolle unter den Jugendlichen dieses Landes vorherrscht, desto häufiger diese jungen Menschen Selbstmord betreiben, (vgl.: S.52).

 Neben dem Freiheitsparadox handelt der Autor des Weiteren das "Wohlstandsparadox" ab, wonach zwar der Lebensstandard gestiegen ist in unserem Land, aber die Menschen immer häufiger an Angstpsychosen und anderen psychischen Krankheiten leiden.

Interessant auch wie das Geld unsere Psyche verändert. Geld distanziert und zwar nicht nur physisch. "Geld kapselt ab, macht autonom, ja Geld macht tendenziell asozial." (Zitat: S. 127)

 Wie Kast sehr gut verdeutlicht, zeichnet sich die Welt, in der das Geld regiert, im Vergleich zur Freundes- und Intimwelt durch eine im Wortsinn absolute Charakterlosigkeit aus. Warum das so ist, erklärt der Autor sehr gut nachvollziehbar und so lernt man zu begreifen, weshalb wir uns noch so erfolgreich in der Geldwelt bewegen und durchschlagen können und dennoch dort kaum Feedback über uns als Mensch erhalten.

 Der dritte Teil des Buches gilt den rastlosen Stadtneurotikern, die pausenlos unruhig und dadurch gestresst sind. Kast spricht vom zwischenmenschlichen Wettrüsten. Wer es wagt einen Gang herunterzuschalten, fällt in der Hierarchie der Gesellschaft zurück. Alle werden zum Maus im Rad und das Glück bleibt auf der Strecke. Wer in der modernen, namenlosen Massengesellschaft in seiner sozialen Umwelt einigermaßen erträglich behandelt werden möchte, muss hart arbeiten und chronisch rastlos sein, so Bastian Kast.


 Auf den Seiten 240/241 wartet der Autor mit eindringlichen Fragen auf, die sich nicht nur Rastlose ehrlich beantworten sollten. Eine dieser Fragen lautet "Was verliere ich, wenn ich die nächsten zehn, zwanzig Jahre so weitermache wie bisher?" Was verliert man, was gewinnt man, wenn man sein Verhalten ändert, sich beschränkt, weniger rastlos ist, beispielsweise zu bewusstem Singletasting übergeht und andere Maus im Rad sein lässt? Bastian Kast gibt gute Antworten auf diese Frage.

Ein gutes Buch.Empfehlenswert.

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