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Rezension:Lob der Faulheit: Warum Disziplin und Arbeitseifer uns nur schaden (Gebundene Ausgabe)

Der Einser-Jurist Thomas Hohensee ist Autor mehrerer sehr erfolgreicher Bücher und lehrt als Coach, wie man Gelassenheit mit persönlichem Erfolg in Einklang bringt.

Der Titel seines Buches wirkte auf mich ein wenig provozierend und löste erst mal Anti-Haltung aus, weil der Begriff Faulheit in meinem Denken sehr negativ besetzt ist. Neugierig machte mich dann aber der Untertitel "Warum Disziplin und Arbeitseifer uns nur schaden". Obschon ich den Vorteil von Disziplin bislang nie wirklich in Frage gestellt habe und vor einigen Monaten sogar ein Buch über dieses Thema voller Überzeugung positiv beurteilte, bin ich seit der Lektüre dieses Buches nachdenklich geworden.

Hohensee ist der Auffassung, dass Disziplin zu Unrecht noch immer einen guten Ruf besitzt und begründet dies recht überzeugend. Dabei erlaubt er sich einen Blick in die Geschichte und erinnert daran, dass Disziplin, Zucht und Ordnung aber auch Gehorsam vormals speziell in der Familie, in der Schule, in Betrieben und beim Militär hoch im Kurs standen und erinnert daran, dass diese Institutionen bis in jüngster Zeit juristisch gesehen besondere Gewaltverhältnisse darstellten und Disziplin, wenn es erforderlich schien, mit Gewalt erzwungen wurde, (vgl.: S 35).

Der Autor hebt hervor, dass für undemokratische Verhältnisse Disziplin wesenseigen sei und sich nicht positiv umdeuten lasse. Hohensee wirbt dafür, dass man Disziplin durch Motivation, inneren Dialog, Selbstermutigung und ähnliche Konzepte ersetzt. Dem stimme ich gerne zu, bin mir ab nicht sicher, ob diese Vorgehensweise nur einem elitären Kreis möglich ist.

Der Autor hält die Überbetonung von Pflicht und Disziplin für falsch, weil mit Zwang und Kontrolle auf Dauer keinem gedient sei. Weshalb es sehr problematisch werden kann, wenn Disziplin und Arbeitseifer zusammentreffen, erläutert er gut nachvollziehbar und stellt in der Folge kluge Überlegungen in punkto Willen an, den man nicht wie einen Muskel trainieren könne, weil er nicht der physischen Welt zuzuordnen sei, sondern vielmehr der geistigen Welt angehöre, in der es auf Bewusstheit, Motivation, Vorstellungsvermögen und dergleichen mehr ankomme, (vgl.: S. 41).

Hohensee räumt mit dem Irrtum auf, dass man gegen seinen Willen handeln könne, denn einerlei wie man sich entscheidet und aus welchen Motiven, es bleibe doch immer eine Wahl zwischen unterschiedlichen Möglichkeiten. Wohl wahr.

Weshalb Disziplin unweigerlich im Zusammenbruch endet, wird sehr schnell klar und zeigt sich übrigens an den vielen Burnout-Erkrankten, die sich zu unmenschlichen Leistungen antreiben und auf diese Weise Opfer tiefer Erschöpfung werden.

Wir müssen lernen, unser Innenleben demokratisch zu gestalten und erkennen, dass man Menschen nicht zwingen muss, sondern bereits Kinder von ganz alleine neugierig sind und es lieben, Zusammenhänge zu verstehen, (vgl.:S. 76).

Etwa neun Millionen Deutsche leiden an disziplinbedingtem Burn-out. Dass es so weit kommen konnte, hängt damit zusammen, dass man den Wert des Menschen mit seiner Leistungsfähigkeit gleichsetzt, die man glaubt mittels Disziplin erzwingen zu müssen. Menschen, die ihren inneren Gaben gemäß arbeiten, müssen sich nicht zwingen bzw. disziplinieren, denn sie agieren spielerisch. Doch auch hier kann er bedenklich werden, wenn das Ganze in Arbeitssucht ausartet und die sozialen Kontakte darunter leiden. Es ist wichtig, sich Auszeiten zu gönnen und sich nicht selbst zu versklaven........ Der Autor erwähnt nicht grundlos, den spielerischen Moment, den Arbeit haben sollte und weist darauf hin, dass das Gegenteil von Spiel nicht Arbeit, sondern Depression heißt, (vgl.:S.131).

Positive Faulheit ist für Hohensee Improvisation und keineswegs Nichtstun. Im Grunde geht es ihm um die Leichtigkeit des Seins, das von den Ordnungsfanatikern allgemein als unerträglich wahrgenommen und durch bleierne Schwere ersetzt wird, (vgl.: S.136).

Thomas Hohensee möchte, dass wir nicht länger Maus im Rad sind, sondern lustvoll unseren Begabungen gemäß leben. Dann nämlich müssen wir uns nicht mental geißeln, sondern können das Tun spielerisch erleben. Für sich selbst hat er diesen Zustand herbeigeführt und redet insofern nicht wie der Blinde von der Farbe.

Eine Welt, in der alle Menschen ihren Interessen nachgehen, ihr Geld mit ihren Lieblingsbeschäftigungen verdienen und dabei die gesamte Zeit motiviert sind, ist ein paradiesischer Zustand. Ob sich dieser allgemein herbeiführen lässt, sei dahin gestellt. Darüber nachzudenken, ob es sinnstiftend ist, sich selbstdiszipliniert auszubeuten oder sich stattdessen lieber Auszeiten zu gönnen, um über Wege nachzudenken, die nicht zum plötzlichen Tod durch Überarbeitung führen, halte ich für notwendig in einer Zeit, in der das gestresste Herz die Haupttodesursache vieler Menschen ist, die noch nicht einmal das sechzigste Lebensjahr erreichen.

Empfehlenswert.

Überall im Buchhandel erhältlich. 

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